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Eine
Weihnachtsbescherung
Weihnachtserzählung
von Paul Heyse - Seite 3
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wie'n Dreimonatskind ohne Mutter. Und da kamen Sie herauf, Weberken, und
brachten mir das Packet, das sie in ihrem Wäschespinde gefunden hatten,
noch auf ihrem Krankenbett von ihr eingewickelt und zupitschiert, und mit ihrer
festen Hand hatte sie die Adresse draufgeschrieben: "An meinen lieben Mann
zu Weihnachten, wenn ich bis dahin nicht wieder auf sein sollte. Rosalie
Hartlaub." Wissen Sie noch Webern?
Wie sollte ich nicht, Herr Wachtmeister! Aber sie dürfen nicht zu viel
daran denken, es regt Sie auf, und der Kaffee wird noch kälter.
Kalter Kaffee macht schön! sagte die Rosel, wenn ich ihr zuredete, wie Sie
jetzt tun, sie aber hatte immer noch was Wichtigeres zu besorgen, als ihr
eignes Frühstück oder Vesper. Na, geholfen hat's ihr blutswenig. Die
Schönheit drückt sie nicht, sagte der Rittmeister, als sie eben in
die Kaserne zu mir gezogen war, aber ein forsches Frauenzimmer scheint sie zu
sein, manierlich und reputierlich, und das ist die Hauptsache für `ne
Soldatenfrau. Nu sehen Sie nur zu, dass sie Appell kriegt, Hartlaub, dann kann
man gratulieren. - Er hatte Recht, der Herr Rittmeister, gratulieren konnte man
mir, denn an Appell hat sie's nicht fehlen lassen. Und Nichts hatt' ich an ihr
auszusetzen, als dass sie die zwei kleinen Mädchen in die Welt setzte, die
fürs Überleben zu mickerig waren, und als das dritte kam, sich selbst
auf französisch empfahl, ohne mir noch gute Nacht zu sagen. -
Sie wissen's am besten, Webern, Sie waren ja bei ihr, wie sie plötzlich
den Kopf gegen die Wand kehrte und nicht wieder zu sich kam, grad' wie'n
Soldat, der `ne Kugel mitten ins Herz kriegt. So was kommt nicht wieder,
Nachbarin - nicht wieder - nicht wieder -
Er drückte die Augen zu, um die Tropfen zurückzuhalten, die unter den
hellen Wimpern vorquollen, und seine derbe Hand rührte blindlings
immerfort in dem Kaffeetopf herum.
Es war eine tiefe Stille in der Stube. Nur der Zeisig fing plötzlich an,
wie dadurch aufgeschreckt, hin und her zu flattern.
Ja freilich, sagte endlich die dicke Frau, die ein wenig fröstelnd die
Arme unter ihrem Umschlagtuch übereinander gelegt hatte und mit einer Art
mütterlicher Überlegenheit auf den in sich zusammengesunkenen starken
Mann herabsah. Nichts kommt wieder, Herr Wachtmeister, auch mein Seliger ist
nicht wiedergekommen und mein Riekchen, aber immer was Neues kommt, und in
meinem Geschäft merkt man das am besten. Sie schütteln den Kopf, Herr
Nachbar. Die kleine Menschheit, der ich ins Leben helfe, kann Ihnen ja auch
Ihre Rosel nicht ersetzen. Aber leben müssen wir darum doch, und wer noch
so in seinen besten Jahren ist, wie Sie, soll unser Herrgott nur machen lassen,
wer weiß, was der noch für ihn im Sack hat.
Der pensionierte Soldat antwortete nicht gleich. Er trank aber den Kaffeetopf
in einem langen Zuge aus, wischte sich dann den Schnurrbart und tat einen
mächtigen Seufzer.
Er mag mir noch bescheren, was er will, murmelte er vor sich hin; eine
Weihnachtsbescherung von meiner Rosel kann er mir nicht mehr verschaffen. -
Schönen Dank für Ihren Kaffee, Webern, die Stolle nehmen Sie nur
wieder mit, Süßes ist nicht für mich.
Er wandte sich nach der Zimmertür, wo seine Dienstmütze und der alte
Soldatenmantel an einem Haken hingen. Als Kassenbote trug er beides nicht. Die
Direktion hatte ihm einen eigenen Anzug für seinen Ausgeherdienst machen
lassen.
Schön, sagte die Frau, sputen Sie sich nur, und hernach, nicht wahr? - ein
großes Tractement finden Sie nicht bei mir, aber einen guten Punsch und
was Kaltes, dass man den Heiligabend doch nicht so gottlos allein versitzt.
Entschuldigen sie mich, meine verehrte Freundin, sagte er langsam, ohne sie
anzusehen. Wenn ich meine Bescherung abgeliefert habe, werde ich am Ende wohl
ein warmes Glas nötig haben, aber viel reden dazu - nein, Webern, `s ist
mir gegen die Natur. Ich werde mich irgendwo in einem einsamen Tabagiewinkel
postieren - heute ist ja nirgends was los in so Lokalen - und eine stille
Erinnerungspfeife rauchen, bis mir die Augen zufallen. Es geht wirklich nicht,
Webern, so gut es von Ihnen gemeint ist. Der Riss, wissen Sie, fängt sonst
wieder an zu brennen, ich bin gern unter zwei Augen mit mir, wenn
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