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Eine
Weihnachtsbescherung
Weihnachtserzählung
von Paul Heyse - Seite 18
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Anfang der Weihnachtserzählung ]
aber, mit der wollenen Decke zugedeckt, über die noch ein Federkissen
geworfen war, lag etwas Dunkles, von dem nur eine unruhige Regung erkennen
ließ, dass es lebendig war.
Da bin ich, keuchte sie, als sie sich nach dem Tisch hingetastet und, was sie
trug, darauf abgelegt hatte. Wo haben Sie ihn denn gefunden? Stecken Sie doch
vor Allem die Lampe an. Herrgott, Sie zittern ja am ganzen Leibe, ich
fühl' es im Dunkeln. Seien Sie nur nicht ängstlich, so ein kleiner
Mensch hat ein zähes Leben. Na, endlich brennt der alte Docht. Nu lassen
Sie mal die Bescherung sehen. - Gerechter Gott im Himmel, das ist ja kein
kleiner Junge, wie Sie sagten, das ist ja ein - Hund!
Sie sank vor Überraschung, zu der sich ein kleiner Ärger gesellte,
auf dem Stuhl am Bett und ließ die Hände wie gelähmt auf ihre
dicken Knie fallen.
Allerdings ist es nur ein Hund, hörte sie jetzt Fritz Hartlaub sagen, in
dem Tone, in welchem man für einen Hilflosen und Bekannten Partei
ergreift. Wenn Sie kein Herz für so eine Kreatur haben, die doch auch von
Gott geschaffen ist, so verzeihen Sie, dass ich Sie heraufbemüht habe.
Lassen Sie die Milch hier und verfügen sich selbst wieder zu Ihrem Punsch.
Ich werde mich dadurch nicht abhalten lassen, dem armen Burschen Beistand zu
leisten, bis er wieder auf den Beinen ist. Denn sehen sie, das ist meine
Weihnachtsbescherung, die hat mir die Rosel zugedacht gehabt, und auf ihrem
Grabe, als ich eben das Bäumchen angezündet hatte, ist dieser Hund an
mich herangekommen, und wenn so'n Tier sprechen könnte, hätte es
gesagt: deine Selige jammert es, dass du so allein bist, und sie lässt
dich schön grüßen und schickt mich, damit ich dir ein bisschen
Gesellschaft leiste. Ich habe nicht so'ne glatte Haut, wie gewisse Frauenzimmer
in Woll- und Strumpfwarengeschäften, aber man kann auch unter einem
struppigen Fell ein gutes und getreues Herze haben und damit Amen! - So
hätte er sagen können; ich habe auch ohne das verstanden, wie's
gemeint war, und jetzt geben Sie mir gefälligst die Milch, ich will sie in
die Untertasse gießen und sehen, ob er die Kraft schon wieder hat, die
Zunge danach auszustrecken.
So nachdrücklich war diese Rede unter dem martialischen Schnurrbart
hervorgekommen, dass die betroffene Zuhörerin es geraten fand, nicht das
kleinste Wort, das Zweifel oder gar Spott ausgedrückt hätte, darauf
zu erwidern. Sie raffte sich vielmehr diensteifrig auf, um bei dem Liebeswerke
behilflich zu sein, und hielt die Untertasse dem warmgebetteten Patienten
selbst unter das Kinn, während sein Retter vorsichtig die Milch
hineingoss. Sie mussten eine Weile warten, bis der eingefrorene Geruchsinn in
dem kalten schwarzen Näschen aufwachte. Dann aber tat sich ein blassrotes
Zünglein aus dem verlechzten Maul hervor und fing zitternd an, am Rande
der Schale zu lecken. Nicht lange, so rappelte sich das Klümpchen unter
der wollenen Decke mit einiger Mühe, aber doch erfolgreich in die
Höhe, der struppige Kopf streckte sich vor, und die Zunge tat ihr
Geschäft so begierig, dass bald der letzte Tropfen aus dem
Milchkännchen versiegt war.
Pros't Mahlzeit! brummte der raue Krieger, indem er mit der großen Hand
dem wackeren Trinker sacht über den Kopf strich. Nun, denk ich, sind wir
durch! Wer Milch säuft, ist noch kein toter Hund. Justement so hab' ich
meinem Rittmeister - damals war er erst Secondeleutnant - die Lebensgeister
wieder angeblasen nach der Schlacht bei Le Mans, wie er mit der Kugel in der
Schulter kreideweiß neben seinem toten Gaul lag, bloß mit dem
Unterschied, dass es keine Milch war, sondern Cognac aus seiner eignen
Feldflasche. Na, das ist nun der einzige Unterschied zwischen Tier und
Menschen, im Geistigen sind wir ihnen über. Aber meinen Sie nicht,
Weberken - ( das Kosewort zeigte, wie guter Laune er plötzlich gegen die
alte Freundin wieder geworden war) - nach der Suppe sollte der Braten kommen?
Hätten Sie etwa noch von Mittag - Nicht für einen hohlen Zahn, Herr
Wachtmeister, ich bedaure wirklich. Es kamen ein paar Bettelkinder, denen gab
ich, was mein Wilhelm übrig gelassen hatte. Aber vielleicht tun's ein paar
Semmelbrocken. Sein Magen ist ja ohnehin noch schwächlich.
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