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Eine
Weihnachtsbescherung
Weihnachtserzählung
von Paul Heyse - Seite 9
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Weihnachtsbäumchen wartete. Nein, die Webern sollte nicht recht behalten!
Lieber allein bleiben und sich zu Tode langweilen, als seiner Rosel untreu
werden, die ihr Leben lang ihm kein ungutes Wort gesagt, keine böse Stunde
gemacht hatte, als da sie ihm ihre kalte zitternde Hand zum Abschied reichte
und kaum noch verständlich sagte: Adjö, Fritz, und vergiss mich nicht
- "mir" hatte sie eigentlich gesagt - und im Tischkasten liegt noch
eine Düte mit Zucker, und vergiss nicht - wenn du Nachts `raus musst - den
wollnen Shawl - Ach Gott und Vater, in deine Hände - -
Das waren ihre letzten Worte gewesen, und jetzt stand ihr Fritz und
äugelte nach einer fremden Wollen- und Strumpfwarenhändlerin,
bloß weil sie ein weiß und rotes Gesicht hatte und zwei
Grübchen darin! Eine Schande war's, wie er sich aufführte, und was
mussten die Vorübergehenden denken, dass er hier schon eine Viertelstunde
Maulaffen feil hielt - und wenn ihn vollends Jemand erkannt hätte - -
Er drückte die Mütze, die sich beim Anlehnen an das Fenster
verschoben hatte, tiefer in die Stirn, zog den Mantel dichter um die Schultern
und wollte eben mit einem stillen Seufzer, teils über seine Verwirrung,
teils weil es ihm doch etwas sauer ward, sich das Gratisschauspiel zu versagen,
seinen Weg wieder aufnehmen, da rührte sich drinnen die gefährliche
Person, die während seiner stillen Gewissensprüfung ein wenig
eingeschlummert war, fuhr in die Höhe, wobei sie sich mit den weißen
Fäustchen die Augen rieb, und stand plötzlich resolut auf. Das
rosawollene Kopftuch war ihr in den Nacken gefallen, und man sah nun den
hübschen, mit blonden Flechten umsteckten Kopf frei auf den rundlichen
Schultern. Auf dem nächsten Kirchturm schlug es halb Neun. Sie horchte und
schien etwas verdrießlich darüber, dass die Zeit bis zum
Ladenschluss so langsam verging. Dann holte sie von einem Tisch hinten in der
Ecke eine Schüssel herbei, die sie auf den Ladentisch vor sich hinstellte
und mit zerstreuter Miene beschaute. Es war ein künstlicher Aufbau von
Früchten und Süßigkeiten, aus einem Kranz von Feigen, Datteln
und Traubenrosinen erhoben sich als die Krönung des Gebäudes drei
kleine dunkelrote Apfelsinen, in deren Mitte ein Blumensträußchen
prangte. Den Rand der Schüssel füllten Markronen,
Weihnachtsgebäck und verzuckerte Mandeln, und unter all den Herrlichkeiten
lag eine mit goldnem Schnörkelwerk verzierte Karte, auf der einige Worte
standen, die der Späher auf seinem Posten draußen trotz seines
eifersüchtigen Bestrebens nicht zu entziffern vermochte.
Denn es war nicht zu bezweifeln: der zierliche Aufbau rührte von einem
Verehrer her, der seinen Gefühlen hier den verführerischsten Ausdruck
gegeben zu haben glaubte. Welchen Erfolg er damit gehabt, war an der Miene der
Beschenkten nicht zu erkennen. Sie fuhr fort, das süße Kunstwerk
nachdenklich zu betrachten, hie und da ein Makronchen oder eine Dattel, die
herausgerutscht war, dem Plan des Ganzen wieder einzufügen, davon zu
naschen aber schien sie durchaus keine Lust zu haben. Nur ein Rosinchen
pflückte sie träumerisch vom Stiel und steckte es zwischen die
Zähne, die daran nagten bloß zum Spiel.
Die Rosel hätte in derselben Zeit eine ansehnliche Verheerung in der
verlockenden Bescherung angerichtet. Sie war keine Näscherin; aber
dergleichen Präsente pflegten sich nicht lange in ihrem Schrank zu halten,
und selbst das Pfefferkuchenherz am Christbaum war schon am zweiten Feiertage
verschwunden.
Gleichviel! Der Geschmack wie der Appetit ist verschieden. Was konnte die Rosel
dafür, dass sie -
Aber da ging die Klingel an der Ladentür. Ohne dass die Schildwache
draußen es bemerkt hätte, war ein kleines Mädchen
vorbeigehuscht, hatte die Tür aufgeklinkt und stand jetzt in seinem
dünnen schwarzen Mäntelchen, ein Tüchlein um den frierenden Kopf
gebunden, vor der Inhaberin des Wollen- und Strumpfwarengeschäfts.
Der Handel war bald gemacht. Eine verspätete Weihnachtsgabe konnte es
nicht sein, die paar Strähnchen dunkler Wolle, die das Kind verlangt
hatte, waren wohl nur neuer Vorrat für eine Arbeit, welche selbst am
heiligen Abend fortgesetzt werden sollte. Die Verkäuferin warf, indem sie
das kleine Packet einwickelte, einen stillen mitleidigen Blick auf ihre
späte Kundin,
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