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Eine
Weihnachtsbescherung
Weihnachtserzählung
von Paul Heyse - Seite 17
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Anfang der Weihnachtserzählung ]
an ihrer Stube vorbei und die Stufen zu seiner Mansarde hinauf. Vielleicht
schämte er sich nur, dass er nun doch die Einsamkeit nicht ertrug, und sie
täte ein Werk der Nächstenliebe, wenn sie ihm halben Wegs entgegen
käme. Aber erst sollte er noch Zeit haben, sich oben in der graulichen
Einsamkeit sich umzusehen und zu erkennen, dass die Nachbarin unten nur sein
Bestes gewollt hatte. Sie setzte eben das Glas wieder an die Lippen, da klang
oben von Neuem die Tür, und sie hörte ihn wahrhaftig wieder hinunter
steigen. Das ging ja rascher, als sie hatte hoffen können. Und richtig, er
klopfte jetzt bei ihr an und wartete kaum ihr Herein! ab, da stand er schon vor
ihr, ohne Mantel freilich, aber die Mütze noch auf dem Kopf, was seinen
gewohnten artigen Manieren gröblich widersprach.
Wie wunderlich sah er aus den Augen, die irgend was am Boden zu suchen
schienen! Und sein "guten Abend!" nur ein stilles Kopfnicken. Und er
konnte eine ganze Weile keinen Atem finden.
Was haben Sie denn, Herr Nachbar? fragte sie, ihn betroffen von Kopf bis
Fuß musternd. Ist Ihnen nicht wohl? Haben Sie einen Geist gesehen?
Er schüttelte hastig den Kopf.
Sie können mir einen Gefallen tun, Webern. Kommen Sie mit mir `rauf. Ich
habe Jemand mitgebracht.
Jemand mitgebracht? Ich habe doch bloß Ihren Schritt auf dem Flur
gehört.
Ich habe ihn tragen müssen, er konnte nicht laufen, weil er sich die
Füße verfroren hatte. Sie müssen mir helfen, ihn wieder zu sich
bringen, Sie wissen ja besser Bescheid mit so was -
Er sah sie flehendlich an. Die gute Seele, so erschrocken sie war, stand schon
auf ihren breiten Füßen und nahm ihn beim Arm.
Was sagen Sie, Wachtmeister? Sie haben ihn `raufgetragen? Nein, so was lebt
nicht! Wer ist es denn? Wie sind Sie denn zu ihm gekommen?
Sie werden schon sehn, Webern. Aber kommen Sie, nehmen Sie noch was mit, er ist
halb verhungert.
Da die Punschterrine! Das wird ihm gut tun, dass er erst wieder auftaut. Und
von meinem Abendessen sind noch ein paar Reste da - Fleisch hab' ich freilich
nicht mehr.
Aber Milch, Webern, wenn sie noch ein paar Schluck Milch im Vorrat hätten.
Punsch ist nicht seine Sache, und ob er Fische isst, weiß ich nicht.
Kommen Sie nur geschwind mit der Milch, das Andere findet sich.
Und ohne ihre Antwort abzuwarten, rannte er wieder aus dem Zimmer und die
dunkle Stiege hinauf.
Die gute Frau fasste sich nach der Stirn. War ihr Freund denn bei Trost, dass
er den erfrorenen Menschen mit kalter Milch statt mit heißem Punsch
wieder beleben wollte? Am Ende aber - wenn's nun ein Kind wäre, irgend ein
armer Wurm, den eine herzlose Mutter ihm vor die Füße gelegt - bei
seiner Gutmütigkeit hatte er sich's natürlich aufhalsen lassen, statt
auf die Polizei damit zu gehen - na, am Ende war's auch bei ihm - und ihr -
besser dran; sie hatte ein Herz für kleine hilflose Menschenkinder, das
wusste er ja, das bracht ihr Geschäft ja schon mit sich -
Und so vor sich hin denkend und murmelnd war sie zu ihrem Küchenschrank
gelaufen und hatte ihr Milchtöpfchen hervorgeholt. Im nächsten
Augenblick leuchtete eine Spiritusflamme unter einem Blechpfännchen auf,
und die bläulichweiße Flüssigkeit fing an sich zu
erwärmen.
Sie steckte noch allerlei zu sich, was für ein hungerndes und frierendes
Wickelkind heilsam sein konnte, ergriff dann das Pfännchen mit der
heißen Milch und eilte, ohne ihre Haube fest zu binden, die Treppe
hinauf.
Als sie bei ihrem Nachbarn eintrat, sah sie ihn vor dem kleinen Kachelofen
knien und mit großem Eifer in die Scheiter blasen, die auch alsdann in
Brand kamen. Es war sonst noch dunkel im Zimmer, er hatte sich die Zeit nicht
genommen, die Lampen anzuzünden. Im Bett
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