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Eine
Weihnachtsbescherung
Weihnachtserzählung
von Paul Heyse - Seite 14
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Anfang der Weihnachtserzählung ]
Winseln und Wimmern hinter einem der benachbarten Grabsteinen hervor, wo bisher
nichts Lebendiges sich geregt hatte? Es verstummt dann wieder, um mit einem
verstohlenen Ächzen und Stöhnen von Neuem einzusetzen, und
näherte sich langsam, bis es endlich so nah erklang, dass es den einsamen
Mann vor dem brennenden Bäumchen aus seiner tiefen, wehmütig
feierlichen Versunkenheit empor riss. Als er jetzt die Augen von dem bunten
Kerzengeflimmer weg zur Seite wandte, sah er zu seinem Erstaunen einen kleinen
zottigen Hund, der, wie es schien, auf vier erfrorenen Pfoten mühsam sich
heranschleppte, am ganzen Leibe zitternd und das Maul wie ein Verschmachtender
weit geöffnet, die glanzlosen, von dichtem weißem Haar umstarrten
Augen fest auf das Weihnachtsbäumchen gerichtet, wobei sich der
schwerarbeitenden Brust jenes klägliche Winseln wieder entrang, bis der
arme Gesell das Grab der verewigten Wachtmeisterin erreicht hatte und dicht
neben dem Tannenstämmchen zusammenbrach. Er erschütterte im Hinsinken
die nächsten Kerzen und hätte vielleicht einen Brandschaden an seinem
grauen Fell erlitten, wäre diese nicht so starrend von Eis gewesen, dass
kein Feuer zünden konnte. Offenbar hatte der Lichtglanz das völlig
abgemagerte arme Tier kurz vor seinem letzten Aufstöhnen noch einmal zum
Leben erweckt und angetrieben, der Wärme nachstrebend, sich zu den
Füßen des unbekannten Mannes ein festlicheres Sterbelager zu suchen.
Einen Augenblick nur betrachtete der trauernde Witwer untätig dies
erlöschende Leben. Dann bog er sich zu dem stillen Kameraden nieder,
dessen weißzottige Brust nur noch in schwachen Zuckungen arbeitete,
strich ihm über den zitternden Kopf und befühlte die starr
ausgereckten mageren Beine. Himmelkreuz - ! wetterte er dabei in den Bart. Da
hockt die alte Eule, der Liborius, in seinem Käfig und passt so wenig auf
die Türe, dass so ein armes Vieh herein kann und, wenn ihm das Tor vor der
Nase zugesperrt wird, elendig verhungern und erfrieren muss. Aber wart,
Kleiner, du sollst nicht umsonst dir gerade dies Grab zu deinem letzten
Ruhekissen ausgesucht haben. Muss es gleich Matthäi am Letzten sein? Ei
Gott bewahre! So lange der Mensch noch japsen kann, muss er nicht verzweifeln.
Aber im Schnee sich wälzen wie die Russen ist nicht für Jedermann.
Komm, Kleiner, wir wollen uns ins Trockne und Warme bringen. Nur sachte! Zur
Kinderfrau hab' ich ohnehin die schönsten Gaben gehabt, und meine eigenen
haben nur leider nicht davon profitieren wollen. Na, flenne nur nicht!
Sachtchen, sachtchen!
Er hatte während dieser vor sich hin gemurmelten Ansprache den Hund, der
keinen Widerstand leistete, aufgehoben und machte sich eifrig daran, die
Eiskrusten von seinem Fell mit dem Tuch abzureiben, wobei er ihm warm in das
flehend verzerrte Gesicht hauchte. Nicht lange, so spürte er, dass die
schon wie im Todeskampf zuckenden Glieder sich beruhigt lösten und das
zitternde Herz mäßiger klopfte. Er schlug den Mantel um das wehrlose
Geschöpf, das nur noch von Zeit zu Zeit einen wimmernden Ton
ausstieß, wie ein Kind nach heftigem Weinen, wenn es in Schlaf versinkt,
und fuhr fort, mit der rechten Hand den kleinen Körper kräftig zu
frottieren. Dabei fühlte er jetzt erst deutlich, dass er kaum mehr als ein
behaartes Knochengerüst im Arm hatte, und plötzlich richtete er sich
in die Höhe und sagte: Da ist Not am Mann! Wenn er mir wirklich nicht
erfriert, so verhungert er mir. Ich muss machen, dass ich ihn nach Hause
schaffe.
Sofort wandte er sich zum Gehen und war schon ein Dutzend Schritte von dem
Grabe entfernt, als er sich besann, dass es sich nicht so schicke, so ohne
Umstände seine Weihnachtsbescherung im Stich zu lassen. Nu, sagte er dann,
ich kenne sie ja, sie nimmt es mir nicht übel, dass ich jetzt vor Allem
zusehe, wie der Kleine was Warmes in den Leib kriegt. Sie hätte es nicht
anders gemacht, und wenn sie mich jetzt sehen könnte - nicht wahr, Rosel,
wir brauch nicht viele Worte drum zu machen. Und nun gute Nacht, und lass dir
was Angenehmes träumen, wo du auch sein mögest, und verlass dich
drauf, Fritze vergisst dich nicht, und ein Hundsgott will er sein, wenn er sich
je wieder mit Wollen- und Strumpfwaren -
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