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Eine
Weihnachtsbescherung
Weihnachtserzählung
von Paul Heyse - Seite 12
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Anfang der Weihnachtserzählung ]
Meinetwegen! raunte der kleine Türhüter. Wir haben ja auch
Mondschein. Gute Verrichtung, Herr Wachtmeister! Er nickte ihm zu mit der Miene
eines Weisen, der gewohnt ist, Fünf gerade sein und unschädliche
Narren gewähren zu lassen. Fritz Hartlaub hatte ihm schon den Rücken
gewandt und stapfte mit harten Tritten den Gang entlang, den Kopf tief in den
Mantelkragen geduckt. Wer zu dieser Stunde hier gewandelt wäre ohne ein
trauerbeschwertes Herz, nur dem Eindruck der stillen weißglitzernden
Gräberstätte hingegeben, hätte trotz der Schauer der Winternacht
wohl gedacht, dass unter den reinlichen Decken da unten gut ruhen sei. Es war
so hübsch, wie die bereiften Trauerweiden und Lebensbäume zwischen
den blanken Grabsteinen ihre weißen Zweige breiteten und die knienden
oder aufstrebenden Engel auf den vornehmeren Monumenten, vom bläulichen
Mondzweilicht, die zarten Ärmchen erhoben, oder ihre Palmzweige
geschultert zwischen den gefalteten Händen hielten. Hie und da lag auch
ein frischgrüner Kranz von Stechpalmen, Lorbeer oder Fichtenreisern auf
einem der dicküberschneiten Hügel, und vor diesem oder jenem
katholischen Grabkreuz flimmerte hinter blauem oder rotem Glase ein ewiges
Lämpchen. All das würdigte der schwerfällig dahinschreitende
Mann im Soldatenmantel keines Blicks. Er verließ bald den mittleren
Hauptgang und wandte sich seitwärts in den entlegneren Teil des
Totenfeldes, wo längst der Umfriedung eine Reihe schmuckloser Gräber
erkennen ließ, dass hier den ärmeren Menschenkindern, den Toten
zweiter und dritter Klasse ihre Ruhestatt angewiesen worden war. Er machte sich
auch keine Gedanken darüber, dass nicht einmal vorm Tode Alle gleich
seien. An Respekt vor Rangunterschieden war seine bescheidenen Seele
gewöhnt. Hätte er selbst es doch mit weiteren dreißig
Dienstjahren nie zum Offizier bringen können.
Nun endlich war er angelangt, wohin er wollte. Das Grab seiner Rosel lag dicht
an der Mauer, jetzt sehr zu seiner Zufriedenheit, da er hier von dem scharfen
Winde völlig geschützt war; denn auch ein paar hohe Lebensbäume
auf den Nachbargräbern hielten die Zugluft ab. Es war wie die Hügel
neben ihm mit einer dicken, makellosen Schneedecke eingehüllt, aus welcher
das Kreuz schwarz aufragte, aus Guseisen in der genauen Form des "eisernen
Kreuzes" auf einem kleinen steinernen Pfeiler sich erhebend. So hatte der
trauernde Witwer sich's selber ausgedacht, da er Willens war, dereinst sich zu
seiner guten Frau betten zu lassen, und das wohlverdiente Ehrenzeichen sollte
andeuten, dass ein rechtschaffenes Soldatenherz hier von allen Dienststrapazen
ausruhe. In der Fläche der Kreuzarme stand in Goldbuchstaben die
Inschrift: "Hier ruhet in Gott Rosalia Hartlaub" - (darunter das
Datum des Geburts- und Todesjahres) "und ihr getreuer Gatte" -
Wann der zweite Name dazu geschrieben werden würde, konnte Niemand sagen.
Als der Witwer das Grabkreuz bestellte, dachte er, es würde nicht allzu
lange dauern. Wie er heut in strotzender Kraft und Frische die Inschrift las,
schien es ihm selbst fast wunderlich, dass sie einmal auch ihm gelten sollte.
Er tat wieder einen tiefen Seufzer, fegte dann mit der behandschuhten Rechten
den Schnee von der Mitte des Hügels ab, wobei ein dünnes Gespinst von
dunklen Efeublättern zum Vorschein kam, und pflanzte mit einem
kräftigen Druck das kleine Brett, in welches das Tannenstämmchen
eingekeilt war, in die Lücke zwischen den Ranken. Da stand nun das
grüne Gewächs und reichte mit dem Wipfel bis an die Höhe des
Kreuzes. Es nahm sich stattlich genug aus. Wenn die Rosel es sehen konnte,
musste sie ihre Freude daran haben. Aber konnte sie es sehen? Wo war sie in
dieser Stunde? "Das bisschen Staub, Moder und Gebein da unten" - der
kaltblütige Pförtner, der davon Bescheid wissen musste, hatte am Ende
Recht: da unten war die Rosel nicht. Am Ende war sie irgend wo, wo sie selbst
nicht empfand, was mit ihrem armen Rest vorgegangen war und welchen Weg ihr
guter verwitweter Lebensgefährte einschlug, wenn er so recht
ungestört an sie denken wollte. Ob sie aber nicht auf irgend einem der
zahllosen Sterne die "Chambre garnie" oder ein Sommer- und
Winterquartier bezogen hatte, schöner und luftiger, als ihre Wohnung in
der Kaserne, von dem engen Logis unter dem Hügel da gar nicht zu reden?
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