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Das
Heimchen am Herde
Erstes
Gezirpe.
Weihnachtserzählungen
von Charles Dickens - Seite 2
Übersetzer: Richard Zoozmann
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Kapitelanfang der Weihnachtserzählung ]
zog, als der Deckel dieses Teekessels gegen Mrs. Peerybingle, ehe sie ihn
wieder heraufbekommen konnte. Und selbst dann schaute der Kessel mürrisch
und eigensinnig drein; er streckte mit wahrhaft herausfordernder Miene seinen
Handgriff Mrs. Peerybingle entgegen und drehte ihr recht spöttisch und
bösartig die Schnauze zu, als ob er sagen wollte:
"Ich will nicht sieden; nichts soll mich dazu bringen!" Mrs.
Peerybingle hatte aber inzwischen ihre gute Laune wiedergewonnen, rieb ihre
dicken frierenden Händchen aneinander, setzte sich hart vor dem Kessel
nieder und lacht gutmütig. Indessen züngelte die gutmütige
Flamme auf und ab, und warf ihr flackerndes Licht auf den kleinen Heumäher
oben auf der Holländer Uhr, bis man hätte glauben sollen, er stehe
stocksteif vor seinem Mohrenschlosse, und es bewege sich nichts als die Flamme.
Und dennoch bewegte er sich, und schüttelte sich zweimal in der Sekunde
ordentlich krampfhaft. Seine Leiden aber, wenn die Uhr schlagen sollte, waren
fürchterlich anzuschauen, und wenn gar ein Kuckkuck aus einer Falltür
im Mohrenschlosse hinausschaute und sechsmal seinen Ruf erschallen ließ,
schüttelte es ihn jedes Mal wie eine Geisterstimme - oder wie Drahtnadeln,
die ihn in die Waden stachen.
Erst wenn sich die heftige Bewegung und ein knarrender Lärm in den
Gewichten und Schnüren unter ihm ganz gelegt hatte, schien sich dieser
erschreckte Heumäher wieder zu erholen. Auch hatte er sich nicht ohne
Grund so entsetzt, denn diese knarrenden Knochengerippe von Uhren sind
höchst misstönig in ihren Verrichtungen, und ich muss mich ordentlich
wundern, wie eine Menschenklasse, am meisten aber den gemütlichen
Holländern, der Einfall kommen konnte, etwas Derartiges zu erfinden. Denn
es ist eine allgemeine Annahme der Leute, dass die Holländer
geräumige Hülsen und Bekleidung für den untern Teil ihres werten
Selbst lieben, und sie hätten wahrlich etwas Besseres tun können, als
ihre Uhren so ganz bloß und unbeschützt zu lassen.
Ihr müsst bemerken, dass der Teekessel gerade jetzt anfing, sich seine
Abendvergnügungen zu machen. Jetzt erst begann der Kessel melodisch und
singlustig zu werden, räusperte sich auf eine unaussprechliche Weise in
der Kehle und hustete und schnarchte in kurzen, hellen Tönen, die er von
Zeit zu Zeit wieder im Kehlkopf erstickte, als ob er wirklich noch nicht ganz
mit sich im reinen sei, ob er lustig und guter Dinge werden solle oder nicht.
Nachdem er aber noch ein paar vergebliche Versuche gemacht hatte, seine frohe
Laune zu unterdrücken, entschlug er sich alles Trübsinn, aller
Zurückhaltung und brach in ein so kosendes fideles Liedchen aus, wie es
die begeisterte Nachtigall nie zu erfinden imstande gewesen wäre.
Das Liedchen war deutlich genug! Meine Treu, man hätte es verstehen
können, wie ein Buch - ja vielleicht noch besser als manche Bücher,
die ihr und ich namhaft machen könnten. Er blies seinen warmen Atem in
einer seinen, leichten Wölkchen aus, das lustig und anmutig ein paar
Fuß in die Höhe zog und dann um die Kaminecke hin, als wäre das
sein heimatliches Firmament; er jodelte sein Lied mit solcher
Kraftäußerung von Heiterkeit; dass sein eiserner Leib über dem
Feuer brummte und wackelte, und sogar der Deckel selbst, der noch soeben so
widerspenstig gewesen war, - von dem guten Beispiele auf bessere
Grundsätze gebracht - eine Art Tanz aufführte und klapperte wie ein
taubstummes, junges Becken, das sein Lebtag noch nicht erfahren hat, wozu es
einen Zwillingsbruder braucht.
Es konnte gar keinen Zweifel obwalten, dass dieses Liedchen des Kessels ein
willkommenes Lied und eine Einladung für jemanden war, der sich zurzeit
noch draußen unter freiem Himmel befand - für jemanden, der in
diesem Augenblick dem niedlichen kleinen Häuschen und knisternden Feuer
zusteuerte. Mrs. Peerybingle verstand es auch vollkommen, wie sie so
gedankenvoll hier vorm Herde saß.
Es ist eine düstere Nacht, sang der Kessel, und die welken Blätter
liegen am Wege; und droben ist alles Nebel und Finsternis und am Boden alles
Schlamm und Schmutz, und dies hier ist der einzige Trost in der düstern,
dicken Luft und ich weiß nicht einmal, dass es nur einer ist, denn es ist
nur ein Fleck von dunklem, zürnenden Rot, wo die Sonne und der Wind
miteinander den Wolken gewissermaßen ein Brandmal aufdrücken, dass
sie so abscheuliches
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