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Das
Heimchen am Herde
Erstes
Gezirpe.
Weihnachtserzählungen
von Charles Dickens - Seite 6
Übersetzer: Richard Zoozmann
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Kapitelanfang der Weihnachtserzählung ]
Döskopp einen Schrei des Schreckens, wenn er ihr, die auf dem niedern
Kinderstuhle beim Feuer saß, plötzlich seine nasse, kalte Nase im
Gesicht abrieb, dann schien er sich wieder auf höchst zudringliche Weise
um den kleinen Säugling bekümmern zu wollen, oder strich um den Herd
herum und legte sich vor ihm nieder, als ob er hier schon für die ganze
Nacht sein Obdach gewählt hätte, alsdann aber sprang er
plötzlich wieder auf und trug das Stümpfchen seines Schweifes in die
kalte Nachtluft hinaus, als ob er sich eben eines Stelldicheins erinnere und
aus Leibeskräften davoneilte, um es ja nicht zu versäumen.
"Komm, da steht schon die Teekanne auf dem Herde fertig," rief Dot
und tummelte sich so rüstig wie ein Kind, das in seiner Puppenküche
spielt, - "und da ist das kalte Schinkenbein, und hier ist die Butter und
hier ist das krustige Brotlaib - es ist schon alles beieinander. Hier ist auch
ein Handkorb für die kleinen Pakete, John, wenn du solche mitgebracht hast
- wo steckst du denn, John? Lass mir ja das liebe Kind nicht unter den Herdrost
fallen, Tilly, ich rate dir's."
Wir müssen hier einschieben, dass Miss Döskopp, wiewohl sie diese
Warnung mit ziemlich lebhafter Entrüstung von sich wies, doch gar ein
absonderliches und überraschendes Talent besaß, das Wohl dieses
Säuglings zu gefährden, und dass sie schon zu verschiedenen Malen des
Kindes kurzes Dasein auf ihre eigentümliche ruhige Weise in Gefahr
gebracht hatte.
Besagtes junges Frauenzimmer war von hagerer, hochaufgeschossener Gestalt, so
dass ihre Kleider beständig Gefahr zu laufen schienen, von den
Spitzenpflöcken ihrer Schultern herabzufallen, woran sie lose hingen. Ihre
Kleidung war besonders merkwürdig, weil sich überall und bei jeder
möglichen Gelegenheit ein gewisses, flanellenes Kleidungsstück von
eigentümlicher Konstruktion teilweise zutage drängte, und weil sie in
der Gegend des Rückens beständig eine Art Korsett oder ein paar
Schnürbänder von verschossener grüner Farbe sichtbar werden
ließ. Weil sie sich über alles mögliche wunderte, und
überdies beständig in beschauliche Betrachtung der Vorzüge ihrer
Herrin und des kleinen Säuglings vertrieft schien, sperrte Miss Tilly
Döskopp beständig Mund und Nase auf.
Wiewohl nun zwar diese kleine Verirrungen ihrer Urteilskraft ihrem Kopf und
Herzen gleichviel Ehre brachten, so schien dies für den Kopf des Kleinen
doch nichts weniger als ersprießlich, weil sie Veranlassung waren, dass
dieser zuweilen mit Haustüren, Schränken, Treppengeländer,
Bettpfosten und andern fremdartigen Gegenständen in nichts weniger als
sanfte Berührung kam. Allein man musst diese kleinen Verstöße
Tillys nachsichtig beurteilen, denn sie waren nur die schnurgeraden Folgen
ihrer fortwährenden Verwunderung darüber, dass sie hier eine so
wohlwollende Behandlung und eine so gemächliche Unterkunft genoss. Vater
und Mutter, die Miss Tilly Döskopp ins Dasein gerufen hatten, vermag uns
die Geschichte nicht zu nennen, denn Tilly war auf Kosten wohltätiger
öffentlicher Anstalten erzogen worden, da sie ein Findling war. Aber
obgleich dieses Wort ebensoviel Buchstaben hat wie "Liebling", so
bezeichnet es doch etwas ganz anderes dem Sinn und dem Wasen nach. Wenn ihr
gesehen hättet, wie die kleine Mrs. Peerybingle mit ihrem Gatten
zurückkam, wie sie an dem Handkorbe schleppte und sich die
größte Mühe gab, dabei doch nichts zu tun (denn er trug ihn ja
allein), so würdet ihr euch fast ebenso sehr gefreut haben, wie John
selbst. Schien es ja doch selbst dem Heimchen Vergnügen zu machen, das auf
einmal in ein recht lustiges, heftiges Zirpen ausbrach.
"Juchhe!" rief John in seiner gemächlichen Weise, - "mir
scheint, unser Heimchen ist heute Abend lustiger als je."
"Gewiss bedeutet das Glück für uns, John!" rief Dot lustig;
- "es ist noch von jeher eingetroffen. Ein Heimchen auf dem Herde zu haben
ist gewiss das glücklichste Ding auf der ganzen Welt!"
John schaute sie jetzt an, als wenn ihm der Gedanke gekommen wäre, sie sei
sein bestes Heimchen, und er stimmte ihrer Ansicht unbedingt bei. Vermutlich
wollte er aber nicht wieder beinahe einen Witz machen, denn er schwieg
mäuschenstille. "Weißt du, noch John," sagte Dot,
"wie ich das erstemal den heitern Gesang des lieben kleinen Geschöpfs
hörte? . . .
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