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Das
Heimchen am Herde
Erstes
Gezirpe.
Weihnachtserzählungen
von Charles Dickens (1812 bis 1870)
Übersetzer: Richard Zoozmann (1863 bis
1934)
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Der
Teelöffel fing zuerst an. Wendet mit nur nicht ein, was Mrs. Peerybingle
etwa gesagt haben mag, denn ich weiß es besser. Mrs. Peerybingle kann's
urkundlich bestätigen, dass sie nicht wusste, wer von beiden angefangen
hat; aber ich behaupte, der Kessel fing an. Ich muss es doch hoffentlich
wissen! Der Kessel hat angefangen just fünf Minuten, bevor das Heimchen zu
zirpen anhub, denn die kleine Wanduhr mit dem lackierten Zifferblatt in der
Ecke bestätigt es.
Als ob die Glocke nicht zu Ende geschlagen und der krampfhaft zuckende kleine
Heumäher oben darauf, der von dem maurischen Palaste mit seiner Sense hin
und herhaut, nicht wenigstens einen halben Morgen ungewachsenen Grases
niedergemäht hätte, bevor das Heimchen überhaupt in den
Lärm einstimmte.
Nicht wahr, ich bin gewiss von Natur aus nicht zanksüchtig; dies Zeugnis
gibt mir jedermann. Ich würde gewiss nicht der Mrs. Peerybingle
gegenüber auf meiner Meinung bestehen, wenn ich nicht in jeder Beziehung
davon felsenfest überzeugt wäre. Kein Mensch unter der Sonne
würde mich dazu bewegen, wenn es sich nicht hier darum handelte, eine
Tatsache zu erhärten, und Tatsache ist es, dass der Teelöffel zuerst
anfing, und zwar wenigstens fünf Minuten bevor das Heimchen überhaupt
ein Lebenszeichen von sich gab. Wollt ihr mir aber widersprechen, so behaupte
ich gar, es seien zehn Minuten gewesen. Lasst mich haarklein erzählen, wie
es kam. Ich hätte es eigentlich gleich von Anfang an tun und
vorausschicken sollen, allein ich hatte meinen Grund dazu, dass ich's nicht
tat. - Wenn ich eine Geschichte erzählen soll, so muss ich mit dem Anfang
anheben; und wie ist es möglich, mit dem Anfang anzuheben, wenn ich nicht
gleich mit dem Kessel beginne?
Ihr müsst nämlich wissen, es erscheint mir just wie eine Art
Wetteifer oder wie ein musikalischer Wettkampf der Geschicklichkeit, was
zwischen dem Kessel und dem Heimchen stattfand. Und was dazu führte, und
wie es dabei herging, war in Kürze folgendes:
Als Mrs. Peerybingle in die unangenehme Abenddämmerung hinausging und
über die nassen Steine in einem Paar Holzschuhen hinklapperte, die
unzählige rohe Abdrücke des ersten Lehrsatzes von Euklid über
den ganzen Hof hin verbreitete, füllte Mrs. Peerybingle am Brunnen den
Teekessel mit Wasser. Gleich danach kehrte sie ins Haus zurück, doch nach
Abzug der Holzschuhe; aber der Abzug war gar kein unbedeutender, denn die
Holzschuhe waren hoch und Mrs. Peerybingle war von Natur aus etwas klein
ausgefallen. Jetzt setzte sie den Kessel zum Feuer, aber sie verlor dabei ihre
gute Laune oder verlegte sie wenigstens auf einen Augenblick, denn das Wasser -
das von unbehaglicher Temperatur und in jenem eisigen, beißenden,
stechenden, unheimlichen Zustande war, in dem es Stoffe aller Art und selbst
hölzerne Überschuhe zu durchdringen scheint - war mit Mrs.
Peerybingle Zehen in Berührung gekommen und sogar an ihren Waden empor
gespritzt. Und wenn man sich nun - und zwar mit Fug und Recht - etwas auf seine
Waden zugute tut, und hinsichtlich der Strümpfe auf Reinlichkeit und
Anstand hält, so mag dies wohl für einen Augenblick einen etwas aus
der Laune bringen.
Außerdem war der Kessel gar eigensinnig und widerspenstig. Er wollte sich
durchaus nicht an den Kaminhenkel hängen lassen; er wollte sich gar nicht
dazu verstehen, sich gutwillig in die Kohlenstücke zu schicken; er wollte
durchaus wie ein Betrunkener vorn überkippen und - ein wahrer Tölpel
von einem Teekessel - durchaus auf den Herd tröpfeln. Er war
händelsüchtig und zischte und spuckte mürrisch ins Feuer. Das
Ärgste aber war, dass der Deckel, nachdem er lange Mrs. Peerybingle
Fingern Widerstand geleistet hatte, zuerst einen Purzelbaum schlug und dann mit
einer scharfsinnigen Hartnäckigkeit, die einer bessern Sache wert gewesen
wäre, seitwärts in den Kessel plumpste und bis auf den Boden
hinuntersank. Meiner Treu, der Rumpf des Royale George hat sich nicht halb so
sehr gesperrt, wie man ihn aus den Wellen
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