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Das
Heimchen am Herde
Erstes
Gezirpe.
Weihnachtserzählungen
von Charles Dickens - Seite 8
Übersetzer: Richard Zoozmann
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Kapitelanfang der Weihnachtserzählung ]
Mann wäre gewiss nie auf diesen Einfall gekommen! Ja wahrhaftig, wenn man
einen Hochzeitskuchen in eine Teekiste oder in eine Bettlade, oder in ein
Lachsfässchen oder in irgend etwas anderes einpackte, eine Frau würde
es gewiss im Augenblick erraten. Nun ja, ich musste ihn beim
Pastetenbäcker abholen."
"Und wie schwer er ist! - Ich glaube gar einen ganzen Zentner
schwer!" rief Dot, die sich vergebens bemüht hatte, die Schachtel
aufzuheben. -
"Wem gehört er denn, John? Wer soll ihn haben?"
"Lies nur die Aufschrift auf der anderen Seite!" sagte John.
"Ist's möglich, John! Ei du liebe Zeit, John!"
"Ja, ja wer hätte das gedacht!" - versetzte John gedankenvoll.
"Du wirst mir doch nicht einreden wollen, John," fuhr Dot fort, die
am Boden saß und ihn kopfschüttelnd anblickte, - "dass er
für Gruff und Tackleton, den Spielzeughändler, bestimmt ist?"
John nickte bejahend.
Mrs. Peerybingle schüttelte wohl fünfzigmal zweifelnd den Kopf und
war in eine stumme mitleidige Bestürzung versetzt; sie verzog dabei
ordentlich das Mündchen und zwar mit aller Gewalt (denn ich versichere
euch, das Mündchen war gar nicht zum Schmollen eingerichtet), und schaute
den Kärrner gedankenvoll und forschend an. Tilly Döskopp aber, die
eine besondere maschinenmäßige Gabe besaß, zum Ergötzen
des kleinen Säuglings fragmentarische Fetzen eines angehörten
Gesprächs zu wiederholen, nachdem sie allen gesunden Menschenverstand
umgesetzt hatte, fragte mittlerweile laut das kleine Geschöpf: ob es denn
wirklich Gruff und Tackletons, die Spielwarenhändlerchens abholen wolle
und ob sein Mütterchen wirklich die Schächtelchen kenne, wenn sein
Väterchen sie nach Häusechen brächte? und so fort.
"Und so soll es also wirklich noch dazu kommen?" sagte Dot; -
"Du lieber Gott, John, sie und ich sind miteinander in die Schule
gegangen!"
Er mochte sich jetzt eben vorstellen oder fast gar vergegenwärtigen, wie
sie ausgesehen haben mochte, als sie noch in die Schule ging. Er blickte sie in
vergnügter Zerstreuung an, gab aber keine Antwort.
"Und er ist so alt! So ganz und gar dir unähnlich!" fuhr Dot
fort; "sag mir nur, John, um wie viel Jahre ist wohl Gruff und Tackleton
älter als du, John?"
"Ich möchte wissen, wie viele Tassen Tee ich heute Abend auf einem
Sitz mehr trinken müsste, um so Altes herauszukriegen, wenn jede Tasse
für vier Jahre zählte!" erwiderte John gutmütig, zog sich
dabei einen Stuhl an den runden Tisch heran und machte sich über das kalte
Schinkenfleisch her; - "was das Essen anbelangt, so leiste ich freilich
nur wenig darin, aber das wenige lass ich mir schmecken Dot!"
Sogar dieser Spaß, seine gewöhnliche Ausrede zur Essenszeit, und
eine seiner unschuldigen Lügen (denn sein Appetit war immer der allerbeste
und widersprach ihm schnurgerade) rief kein Lächeln auf dem Gesicht seines
kleinen Weibchens hervor, das mitten unter den Paketen stand, die
Kuchenschachtel langsam mit dem Fuße fortrollte und gar nicht mehr darauf
herabblickte, obwohl ihr Auge auf dem niedlichen Schuh ruhte, den sie sonst so
sorgsam schonte.
In tiefen Gedanken verloren stand sie da und kümmerte sich weder um den
Tee noch um John, obwohl er sie herbeirief und mit dem Messer auf den Tisch
klopfte, um sie aus ihrem Nachdenken aufzuwecken, bis er endlich aufstand und
sie auf den Arm klopfte. Nun erst schaute sie ihn einen Augenblick an, eilte
dann ans Teebrett und lacht über ihre eigne Vergesslichkeit, aber nicht
wie sie sonst zu lachen pflegte; die Art und der Ton, wie sie lachte, waren
ganz anders.
Das Heimchen hatte ebenfalls ein Zirpen eingestellt, und das Stübchen
erschien bei weitem nicht mehr so traulich als zuvor. "Das sind also wohl
alle Pakete, John?" sagte sie und brach damit eine lange Pause ab, die der
ehrliche Fuhrmann seither der praktischen Bewährung
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