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Das
Heimchen am Herde
Drittes
Gezirpe.
Weihnachtserzählung
von Charles Dickens - Seite 7
Übersetzer: Richard Zoozmann
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Kapitelanfang der Weihnachtserzählung ]
allein das Betragen des Kärrners flößte ihm soviel Ehrfurcht
ein, dass er nichts weiteres zu äußern wagte.
So schlicht und ungehobelt dieser Mann auch war, so lag doch in seinem ganze
Wesen etwas Würdiges und Edles, das nur einer edelmütigen,
ehrenhaften Seele entspringen konnte, die in dieser schlichten Hülle
wohnte.
"Ich bin ein simpler, ungeschlachter Mann," fuhr der Kärrner
fort, - "und habe nur wenig Eigenschaften an mir, die mich empfehlen
könnten. Ich bin kein gewandter Mann, wie Ihr wohl wisst. Ich bin auch
kein junger Mann mehr. Ich liebte meine kleine Dot, weil ich sie von
Kindesbeinen an in ihres Vaters Hause habe aufwachsen sehen; weil sie lange
Jahre hindurch mein Augapfel und mein Lebenslicht gewesen war. Es gibt manche
Männer, mit denen ich mich nicht vergleichen kann, die aber meine kleine
Dot schwerlich so geliebt hätten, wie ich sie liebe." Er hielt inne
und trat ein paar Mal mit dem Fuß auf den Boden, ehe er fortfuhr:
"Ich habe mich oft mit dem Gedanken getröstet, ich könne, wenn
ich nicht gerade gut für sie war, doch einen wohlwollenden Ehemann
für sie abgeben; und niemand kannte vielleicht ihren Wert besser als ich.
Auf diese Weise machte ich mich mit jenem Gedanken vertraut, und machte mich
gar glauben, es sei möglich, dass wir uns gar noch heirateten. Und am Ende
kam es doch noch dazu, und wir wurden getraut."
"Aha!" sagte Tackleton und schüttelte auf sehr bedeutsame Weise
den Kopf.
"Ich hatte mich selber studiert; ich hatte Erinnerungen über mich
gemacht; ich wusste wie sehr ich sie liebte und wie glücklich ich sein
würde!" fuhr der Kärrner fort; - "Allein ich fühle es
jetzt selbst, ich hatte sie noch nicht gehörig kennen gelernt und nicht
alles gehörig in Betracht gezogen!"
"Natürlich!" sagte Tackleton; - "Leichtsinn, Koketterie,
Flatterhaftigkeit, Eitelkeit, Sucht nach Bewunderung! Das alles habt Ihr nicht
gehörig in Betracht gezogen! Aha, das habt Ihr alles außer Augen
gelassen!"
"Ihr würdet besser tun, mich nicht immer zu unterbrechen, bis Ihr
mich versteht," sagte der Kärrner mit besonders ernstem Nachdrucke,
"und Ihr seid noch sehr weit davon entfernt. Wenn ich gestern den Mann mit
einem einzigen Streiche niedergestreckt haben würde, der es gewagt
hätte, auch nur ein Wort der Anklage gegen sie zu äußern, so
würde ich ihm heute den Fuß auf den Kopf setzten, und wenn es mein
Bruder wäre!"
Der Spielzeughändler stierte ihn betroffen an, der Kärrner blieb noch
immer ruhig.
"Habe ich bedacht, als ich sie nahm," fuhr der Kärrner in
sanfterem Tone fort, - "dass ich sie in ihrem Alter und mit ihrer
Schönheit von ihren jungen Gespielinnen und aus den Kreisen hinwegnahm,
deren Zierde sie war? dass ich sie einem Kreise entfremdete, worin sie der
allerhellste Stern war, um sie Tag und Nacht in mein stilles langweiliges Haus
einzusperren und ihr meinen langweiligen Umgang aufzudrängen? Habe ich in
Erwägung gezogen, wie wenig ich zu ihrer heiteren frohen Laune passte, und
wie unerträglich so ein unbehilflicher Mann wie ich, für ein Wesen
von ihrer raschen Fassungskraft sein musste? Zog ich in Betracht, dass meine
Liebe zu ihr kein Verdienst oder kein Anspruch auf Verdienst war, da sie
jedermann, der sie kannte, auch lieben musste? Nein, niemals habe ich das
getan. Ich machte mir ihr zutrauliches Wesen und ihr heiteres Gemüt
zunutze und heiratete sie. Allein ich wünschte, ich hätte es nie
getan - nicht um ihretwillen, sondern um meinetwillen!"
Der Spielwarenhändler stierte ihn unverwandt und ohne einen Muskel zu
verziehen ins Gesicht, und selbst sein halbgeschlossenes Auge stand jetzt
offen.
"Der Himmel segne sie," fuhr der Kärrner fort, - "für
die unverdrossene Beständigkeit, womit sie sich bemüht hat, mir diese
Erkenntnis vorzuenthalten! Und der Himmel verzeihe es mir, dass ich dies mit
meinem schwerfälligen Verstande nicht schon früher eingesehen habe! -
Armes Kind! Arme Dot! Dass ich es nicht einsah, da ich sie doch weinen sah, als
auf eine Heirat wie die unsrige die Rede kam! Ich, der ich doch hundertmal das
Geheimnis auf ihren Lippen sah und es niemals ahnte, als bis zum gestrigen
Abende! - Wie konnte ich so hoffen, sie werde mich lieben! Wie konnte ich gar
glauben, sie liebe mich!"
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